ESG-Risikomanagement
Handlungsfelder
HF 2: Nachhaltigkeit im Bau und Betrieb
HF 3 Verantwortungsvolle Beschaffung
HF 6: Strategie
GRI-Standards
GRI 3-3 | Management des wesentlichen Themas
Handlungsfelder
HF 2: Nachhaltigkeit im Bau und Betrieb
HF 3 Verantwortungsvolle Beschaffung
HF 6: Strategie
GRI-Standards
GRI 3-3 | Management des wesentlichen Themas
Seit 2022 befasst sich auch die von uns geführte Initiative Wohnen.2050 intensiv mit dem Management von Klimarisiken; eine dort angesiedelte Pioniergruppe hat ein Klimarisiken-Tool eigens für die Wohnungswirtschaft entwickelt. Unsere Branche erwartet, wie die meisten anderen Wirtschaftszweige auch, dass die Auswirkungen des Klimawandels in vielerlei Hinsicht unsere Geschäftstätigkeit beeinflussen werden. Der GWS Research Report „Volkswirtschaftliche Folgekosten durch Klimawandel: Szenarioanalyse bis 2050“ unterstellt dem Grundstücks- und Wohnungswesen zwischen 2022 und 2050 zusätzliche, durchschnittliche Rückstellungen in Höhe von 11,6 Mrd. EUR jährlich. Nach weiteren Berechnungen entfallen 70 % der Schäden infolge von Sturzfluten, Überschwemmungen oder Starkregen auf Schäden an Gebäuden und Infrastruktur – geschätzt 2,3 Mrd. EUR pro Jahr oder 50 Mrd. EUR insgesamt.
Klimabedingte Risiken – und damit ihr Management – unterscheiden sich von anderen Unternehmensrisiken in vielerlei Hinsicht: Erstens liegt zwischen Ursache und Wirkung eine Zeitspanne, die länger ist als übliche Geschäftsplanungszyklen. Zweitens sind Eintritt und Ausprägung der Klimarisiken abhängig von der geografischen Lage (beispielsweise die Hochwassergefährdung), sodass eine standort spezifische Steuerung nötig ist. Drittens gibt es kein etabliertes Schadensregister, was die Berechnung finanzieller Risikowirkungen erschwert. Und viertens existiert eine hohe Unsicherheit bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit von klimatischen Risiken. Die Erfahrungen der Vergangenheit sind nicht geeignet, die zukünftige Veränderung korrekt einzuschätzen.
Klimabedingte Risiken stehen aus den folgenden vier Gründen im Zentrum unseres ESG-Risikomanagements:
Im Berichtsjahr bewerteten wir anhand des Klimarisiken-Tools der IW.2050 die uns betreffenden Klimarisiken. Aus der Bewertung leiteten wir Einschätzungen für die Bauprozesse und die Standardbaubeschreibung sowie für das NHW-Risikomanagement ab. Eine turnusgemäße Bewertungsaktualisierung der Klimarisiken ist geplant. Die Vorgehensweise der Klimarisiko-Analyse ist in den Schaubildern dargestellt; Details zur Methode finden sich im Praxisbericht 2023/2024 der IW.2050 (S. 63 bis 67).
Vorrangiges Ziel ist es, dass die NHW drohende Klimarisiken managen kann. Aber auch an alle anderen Nachhaltigkeitsrisiken muss sie sich anpassen. Darum entwickeln wir unser ESG-Risikomanagement (Environment, Social, Governance), das Risiken aus Nachhaltigkeitsperspektive betrachtet, weiter. Dieses ergänzt das traditionelle Risikomanagement, das hauptsächlich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Blick hat. Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeits- und Risikomanagement aufeinander abgestimmt und gemeinsam ausgerichtet sind. Damit einher geht die Risikobewertung, aber auch die Chancenbetrachtung aller Geschäftstätigkeiten aus Nachhaltigkeitsperspektive.
In diesem Kapitel gehen wir auf Chancen und Risiken ein, die grundsätzlich das gesamte Unternehmen betreffen. Weitere Einzelrisiken und punktuelle Chancen sind bei den jeweiligen wesentlichen Themen in den entsprechenden Kapiteln jeweils unter GRI 3-3 a. und GRI 3-3 b. (Auswirkungen) beschrieben.
GRI 3-3 a.
GRI 3-3 b.
Zuerst die gute Nachricht: Der Umbau zu nachhaltigerem Wirtschaften birgt potenziell auch Chancen. Außerdem wirken sich Maßnahmen, die wir aufgrund von Nachhaltigkeitsrisiken ergreifen, in vielerlei Hinsicht positiv auf Mensch und Umwelt aus. Ein funktionierendes ESG-Risikomanagement stärkt so langfristig und in hohem Maße die Widerstandskraft unseres Unternehmens.
Ein großes Zukunftsthema ist die kommunale Wärmeplanung, bei der die NHW-Stadtentwicklungsmarke ProjektStadt Städte und Gemeinden als Dienstleisterin unterstützt. Denn auch die Kommunen sind durch die Klimakrise gefordert, Klimaanpassungsstrategien zu ergreifen. Das Gebäude-Energiegesetz (GEG) weist der kommunalen Fernwärme eine herausragende Rolle zu, um den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Um die Chancenpotenziale einer Wärmewende-Planung auf kommunaler Ebene zu heben, ist es entscheidend, dass alle Schlüsselakteure von Anfang an eingebunden sind: Dazu zählen neben der Kommunalverwaltung und dem Energieversorger zwingend auch die Wohnungsunternehmen als technisch erfahrene Großbestandshalter. Deren Planungen zu Klimaneutralität und Portfolio-Entwicklung sind in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen. Das betrifft vor allem die Abschätzung zukünftiger Wärmebedarfe. Um die Chancen, die sich aus der kommunalen Wärmeplanung ergeben, umfassend zu nutzen, steht die NHW im engen Austausch mit den Kommunen bzw. den Stadtwerken und Energieversorgungsunternehmen. Das Technische Qualitätsmanagement ist als Stabsbereich bei der Technischen Geschäftsführerin als zentrale Einheit damit betraut, die wohnungswirtschaftliche Einbindung in den Kommunen und gegenüber den Energieversorgungsunternehmen sicher zu stellen. Als Flächengesellschaft haben wir deutlich größere Abstimmungsaufwendungen als kommunale Unternehmen.
Zwar überwiegt für die Wohnungswirtschaft mit ihrer gebundenen Infrastruktur im Gebäudebestand der Anpassungsbedarf an den Klimawandel, allerdings könnten sich auch Chancen, wie die Eigenversorgung mit regenerativer Energie, verwirklichen lassen (Stichwort: Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung gemäß Solarpaket). Durch die eigene Energieerzeugung inklusive des Verkaufs von Überschüssen können Nebenkosten internalisiert und somit die sozialen Auswirkungen durch die Modernisierung abgemildert werden. Zumindest, wenn die Rahmenbedingungen so gesteckt sind, dass eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung der Stromproduktion, Nutzung im Quartier und Vermarktung der Restkapazitäten möglich ist – beispielsweise durch die Umlagefähigkeit eigenproduzierten Ökostroms. Darüber hinaus fordern wir gemeinsam mit unseren Verbänden, dass die Regulatorik weiter vereinfacht wird. Auch bei der nachhaltigen Beschaffung und bei umfassender Beteiligung an einer Kreislaufwirtschaft bieten sich Chancenpotenziale.
GRI 3-3 a.
GRI 3-3 b.
Extremwettereignisse, die Europa bereits seit Jahren ereilen, drohen uns in den nächsten Jahrzehnten zunehmend ungeplante Ausgaben zur Erhaltung der Gebäudesubstanz zu bescheren. Wetterturbulenzen wie Starkregenereignisse, Hitzeperioden oder Stürme können enorme negative Auswirkungen auf die Menschen haben, die bei uns wohnen. Die schlimmste Folge bei Starkregen wäre der Schaden, den Personen durch Hochwasser erleiden, wenn ihre Wohnung im Erdgeschoss oder Souterrain liegt. Was die Gebäude betrifft, so ist bei Starkregen neben der Beschädigung von Wohnraum zudem die Zerstörung von Haustechnik im Keller möglich (mit daraus folgenden außerplanmäßigen Sanierungskosten). Temporär nicht nutzbare Kellerräume können eine weitere Folge sein. Ähnliches gilt für lang anhaltende hohe Temperaturen in den Sommermonaten. Wenn sich Wohnungen zu sehr aufheizen, kann das beispielsweise Kreislaufprobleme für die dort lebenden Menschen zur Folge haben.
Gibt es zudem Setzungsrisse durch Dürre, sind außerplanmäßige Sanierungen nötig, was ein potenzielles Kostenrisiko darstellt. Bei Starkwindereignissen kann es Personenschäden durch herabfallende Bauteile geben. Mietausfälle durch Beschädigungen sind möglich, außerplanmäßige Sanierungskosten die Folge.
Für die NHW besteht mittel- bis langfristig die Gefahr der Ertrags- und Wertminderung, wenn der Wohnungsbestand nicht den Klimaschutzanforderungen entsprechend bewirtschaftet und entwickelt wird. Ein weiteres Risiko für unser Geschäft besteht darin, dass wir die gesetzlichen Vorgaben nicht erreichen. Das hätte verschiedene Konsequenzen: So drohen Strafzahlungen für die Teile des Gebäudebestands, für die gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt sind. Zudem ist bereits in diesem Jahrzehnt mit steigendem Abfluss liquider Mittel durch die CO2-Abgabe zu rechnen. Alleine für das Jahr 2023 rechnen wir mit über 2 Mio. EUR Abgabekosten auf Vermieterseite. Auch aus Finanzierungssicht werden die Rahmensetzungen immer stärker auf die Erfüllung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen ausgerichtet. Zudem könnte daraus ein Imageschaden erwachsen. Grundsätzlich stellen steigende Energiekosten ein Risiko dar; das gilt auch für Materialien, die wir für Sanierungen benötigen und bei denen Knappheit herrscht. Auch Baukostenexplosionen durch Inflation stellen eine Gefahr dar, weiterhin steigende Zinsen bei der Refinanzierung.
Änderungen von rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem im Miet-, Bau- und Umweltrecht – besonders wenn sie kurzfristig sind – stellen uns vor große Herausforderungen. Wir verfolgen politische Planungen in dieser Hinsicht deshalb mit großer Aufmerksamkeit, um auf verbindliche Änderungen reagieren zu können. Jede Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen könnte sich nachteilig auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auswirken. Aufgrund der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie der EU-Taxonomie müssen wir beim Bauen zunehmend Nachhaltigkeitsstandards beachten (Stichwort: graue Emissionen, die in den Baustoffen stecken), was eine große Herausforderung darstellt. Ziel ist es, dass sich die NHW anpasst. Das kann unter anderem durch andere Primärkonstruktionsarten geschehen: Indem wir zukünftig beispielsweise aus Holz statt aus Stahlbeton bauen, können wir das Risiko an dieser Stelle reduzieren.
Unser Image ist von entscheidender Bedeutung. Ein schlechtes Ansehen entspricht nicht unserem Leitbild und kann unsere Geschäftstätigkeit in lokalen Märkten erschweren. Daher streben wir jederzeit eine frühzeitige und offene Kommunikation sowie einen direkten Dialog mit allen Gruppen an, die ein berechtigtes Interesse haben, wenn es um Konflikte beispielsweise mit Nachhaltigkeitsbezug geht.
Risiken aus dem Erwerb von Grundstücken (beispielsweise Altlasten) beobachten wir auf Projektebene, ebenso wie bei größeren Neubau- und Modernisierungsprojekten sowie bei bedeutenden Projekten in der Stadtentwicklung oder der Bauland-Offensive Hessen GmbH (BOH).
Da wir bei unseren Bautätigkeiten verschiedene General- und Nachunternehmen beauftragen, bestehen Risiken, die Nachhaltigkeitsaspekte betreffen. Diese liegen oft nicht direkt in unserer Hand und sind unsererseits nur bedingt kontrollierbar. Steigende gesetzliche Auflagen und die Verschärfung von Bestimmungen wie Brand- oder Schallschutzvorgaben – auch in der Bestandsentwicklung stellen ein Kostenrisiko dar. Hinzu kommen Compliance-Risiken (siehe unten).
Auch der Fachkräftemangel – vor allem im Handwerk – stellt ein dauerhaftes Risiko dar. Hier treten wir in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmenden: Wenn alle Wohnungsunternehmen ihre Modernisierungsraten aufgrund der Klimaschutzanforderungen signifikant erhöhen, wird das auf dem Arbeitsmarkt verfügbare Personal noch knapper. Auch wird es dann schwieriger, Dienstleistungsunternehmen in ausreichender Anzahl zeitnah zu beauftragen.
Die Schädigung unseres guten Rufes kann aus Compliance-Verstößen resultieren. Zu den Compliance-Risiken zählen:
Aus dem täglichen Umgang und der Verarbeitung personenbezogener Daten (beispielsweise über Personal oder Mietparteien) sowohl innerhalb der NHW als auch durch beauftragte Dritte erwachsen Datenschutz-Risiken.
Mehr zu den letzten beiden Risiken findet sich im Kapitel zur Compliance.
GRI 3-3 d.
Richtlinien und Verpflichtungen (GRI 3-3 c.) zum ESG-Risikomanagement finden sich im Kapitel zu den allgemeinen Angaben unter GRI 2-23.
Die Unternehmensgruppe führt regelmäßig Risikobewertungen ihrer Geschäftstätigkeiten durch. Dafür gibt es ein systematisches Risikomanagementsystem, um Risiken frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Dieses Risikofrühwarnsystem sorgt dafür, wesentliche oder bestandsgefährdende Risiken und Ereignisse zu erkennen und negative Entwicklungen rechtzeitig verfolgen zu können. Darunter fallen beispielsweise Risiken, die die zukünftige Entwicklung des Unternehmens gefährden oder geschäftsschädigende Reputationsschäden auslösen könnten. Potenzielle Risiken aus Compliance-Verstößen und in Bezug auf Datenschutz werden ebenfalls systemunterstützt erfasst und bewertet, damit sie in die Risikogesamtbewertung einzufließen.
Schrittweise integriert die NHW auch weitere Nachhaltigkeitsrisiken ins unternehmerische Risikomanagement. Dadurch stellt sie ein aktives Management derartiger Risiken sicher, beispielsweise die frühzeitige Anpassung an Klimarisiken.
Die Funktionen zum Risiko- und Compliance-Management sind zentral bei der Konzernmutter Nassauische Heimstätte, Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH zugeordnet, und zwar in einem Fachbereich innerhalb des Unternehmensbereiches Organisation. Sie erstrecken sich auf alle Geschäftsfelder und die Gesellschaften der Unternehmensgruppe. Der Geschäftsführung obliegt es, nach einer Risikoidentifikation entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln, einzuleiten und zu steuern. Es erfolgt eine monatliche Berichterstattung durch das zentrale Risikomanagement an die Geschäftsführung in Form eines Risikokurzberichtes aus dem EDV-System heraus. Zudem wird auf dieser Basis in jeder Sitzung des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrates über die Risikosituation berichtet, insbesondere zu den am höchsten bewerteten Einzelrisiken.
Die Leitung des Kompetenzcenters Nachhaltigkeitsmanagement zählt zu den 21 dezentralen Risikoverantwortlichen, die den ganzen Konzern abdecken. Sie alle berücksichtigen und bewerten die für ihre Fachbereiche tatsächlichen und potenziellen Nachhaltigkeitsrisiken; dazu gehören auch Ad-hoc-Risiken.
Für die Risikofrüherkennung der gesamten Unternehmensgruppe kommt ein dynamisches, integriertes und EDV-gestütztes System zum Einsatz. In regelmäßigen Abständen hinterfragen die Risikoverantwortlichen die Inventarisierung in Einzelgesprächen auf Aktualität und Passgenauigkeit. Dies geschieht zusätzlich zur monatlichen Erfassung und Bewertung der Risiken.
Beherrschendes Thema war im Berichtsjahr die Identifikation der Berichtspflichten für das gesamte Unternehmen und die Vorbereitung darauf bis 2026. Folgende thematische Schwerpunkte sind dabei gesetzt:
GRI 3-3 e.
Die Unternehmensgruppe verfügt über ein Internes Kontrollsystem (IKS). Prüfungen erfolgen durch die Innenrevision und gegebenenfalls durch den Compliance-Beauftragten. Potenzielle Risiken aus möglichen Compliance-Verstößen werden ebenfalls systemunterstützt erfasst, bewertet und in die Risikogesamtbewertung einbezogen. Die Überwachung von Nachhaltigkeitsrisiken erfolgt grundsätzlich einmal im Monat. Alle zwei Jahre analysiert und bewertet ein sogenannter Lenkungsgruppenworkshop sowohl die bereits erfassten als auch mögliche neue Nachhaltigkeitsrisiken, beispielsweise Risiken, die durch den Klimawandel bedingt sind. dieser Workshop fand im Frühjahr 2024 statt, dessen Ergebnisse am Anfang dieses Kapitels dargelegt sind. Kennzahlen zur Wirksamkeit des Risikomanagements im Allgemeinen erfassen wir nicht. Wir ermitteln aber für jedes wesentliche Thema die zur Steuerung nötigen Indikatoren und verweisen deshalb auf die dazugehörigen Kapitel (und auf die dortigen Abschnitte zu GRI 3-3-e.).
GRI 3-3 f.
Wir tauschen uns mit verschiedenen Interessengruppen aus, um ihre Ideen und Verbesserungsvorschläge zu den erkannten Risiken aufzugreifen. Die verschiedenen Kommunikationsformate beschreiben wir bei den wesentlichen Themen in den entsprechenden Kapiteln jeweils unter GRI 3-3 f. sowie im übergreifenden Kapitel zu unserer Kommunikation.