Das Bekenntnis von NHW, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Nachhaltigkeitsaspekte zu beachten, erstreckt sich über die eigene Geschäftstätigkeit hinaus: Es schließt die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich der zuliefernden Firmen ein. Als Unternehmen der öffentlichen Hand verfolgt NHW das Ziel, eine verantwortungsvolle und nachhaltige Geschäftstätigkeit zu gewährleisten. Dabei soll vor allen auch der Schutz und die Wahrung der Menschenrechte sichergestellt sein.
Nachhaltig wirtschaften von Beginn an
Auswirkungen
Unser als wesentlich identifiziertes Thema „Nachhaltige Lieferkette“ ist ein Querschnittsthema, das zwei Handlungsfelder berührt: zum einen die verantwortungsvolle Beschaffung, zum anderen Nachhaltigkeit in Bau und Betrieb.
Das Thema hat aufgrund der enormen Beschaffungskosten ein hohes Gewicht. Im Berichtsjahr 2022 bezogen wir Waren und Dienstleistungen in Höhe von rund 130 Mio. Euro (Vorjahr: rund 281 Mio. Euro). Außerdem investiert die Unternehmensgruppe bis 2026 rund eine Mrd. Euro in die Bestandsentwicklung. Wir wissen, dass mit diesen umfangreichen Investitionen eine hohe Verantwortung einhergeht. Denn Lieferketten sind oft unübersichtlich und intransparent.
Darüber hinaus gilt seit dem 1. Januar 2023 in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dieses regelt erstmals die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten. Für NHW greift dieses Gesetz allerdings nicht, weil unsere Unternehmensgruppe mit rund 850 Mitarbeitenden unterhalb der im Gesetzestext definierten Mindestanzahl liegt. Dennoch steht das Thema bei uns weit oben auf der Agenda. Denn wir wollen aktiv Verantwortung übernehmen für einheitliche Umwelt- und Sozialstandards in unserer gesamten Lieferkette (beispielsweise für die Einhaltung von Menschenrechten auf Baustellen). Unser Ziel ist es, Lieferfirmen so auszuwählen, dass möglichst viele Nachhaltigkeitskriterien erfüllt beziehungsweise berücksichtigt sind. Das sehen wir auch als Grundvoraussetzung für langfristige Geschäftsbeziehungen an.
Da wir bei Neubau und Sanierung mit Drittfirmen zusammenarbeiten, sind wir indirekt an deren negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt beteiligt. Durch unsere Position als auftraggebendes Unternehmen können wir aber auch Einfluss nehmen. Beispielsweise können wir schlechte Arbeitsbedingungen für Auftragnehmende unterbinden. In den von uns gestalteten Bauverträgen können wir Forderungen und Kontrollmechanismen einbauen. Wir verstehen die NHW als „Trägerin des hessischen Mittelstands“ und möchten auf die Bauindustrie einwirken, um herrschende Rahmenbedingungen zu verbessern.
Was die Geschäftsrelevanz des Themas betrifft, gibt es verschiedene Risiken. So ist beispielsweise die Wertschöpfungskette nur indirekt beeinflussbar, da der Einkauf durch von uns beauftragte Lieferfirmen erfolgt. Dies stellt ein Compliance-Risiko dar, das aufgefangen werden muss. Dazu bedarf es allseitiger Transparenz sowie geeigneter Beschwerde- und Kontrollmechanismen.
Ein anderes Risiko, das die NHW als Bauherrin immer mitträgt, ist das Arbeits- und Gesundheitsmanagement auf Baustellen. Um dieses Risiko zu mindern, fordern wir vor allem die Prüffähigkeit von Sub-Unternehmen. Diese müssen sich auf zusätzliche Anforderungen und Kontrollen unsererseits einstellen. Im Zusammenhang mit Gesundheitsthemen stehen auch die Mobilität und die Unterbringung der Menschen, die auf der Baustelle arbeiten. Dies inkludiert auch immer Haftungsfragen. Potenzielle Umweltbelastungen oder unmenschliche Arbeitsbedingungen in vor- oder nachgelagerten Bereichen der Lieferkette können sich so zu konkreten Geschäftsrisiken entwickeln und unseren guten Ruf beschädigen.
Geschäftsrelevante Chancen bieten sich durch nachhaltige, langlebige und kreislauffähige Materialien. Details dazu sowie zu unserer lebenszyklusorientierten Bewertung von Bauprodukten finden sich im Kapitel Kreislaufwirtschaft.
GRI 3-3 a.
GRI 3-3 b.
Richtlinien/Verpflichtungen
Wir haben einen Verhaltenskodex (Code of Conduct, CoC) für Dienstleistungs- und Lieferunternehmen etabliert, um Menschenrechte entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette zu wahren.
Im CoC definieren wir detailliert unsere Erwartungen an die sozialen, ethischen und ökologischen Standards der Unternehmen, mit denen wir Geschäftsbeziehungen unterhalten oder eingehen. 2018 wurde der CoC zunächst als fester Bestandteil in den Bauvertrag der Unternehmensgruppe aufgenommen. Seit 2020 ist er Bestandteil aller Verträge, die von auftragnehmenden Firmen unterzeichnet werden müssen. Damit hat die NHW die Anerkennung und Umsetzung des Verhaltenskodex zu einem verbindlichen Kriterium für die Auswahl von Liefer- und Dienstleistungsunternehmen gemacht.
Die Herausforderung war es, alle Unternehmen mit dem Verhaltenskodex zu adressieren – vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Großunternehmen. Der CoC wurde daher bewusst so gestaltet, dass Unternehmen jeglicher Größe die Anforderungen erfüllen oder in die Umsetzung hineinwachsen können. Darüber hinaus appellieren wir an unsere Partnerunternehmen, auch die eigenen Liefer- und Dienstleistungsunternehmen auf den CoC zu verpflichten, um so möglichst große Teile der Lieferkette zu erreichen.
Der CoC umfasst 15 Forderungen. Ein Schwerpunkt des CoC bildet die Einhaltung von sozialen und ethischen Standards, wie sie beispielsweise in den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen beschrieben sind. Darüber hinaus zählt ein verantwortlicher Umgang mit Ressourcen und Energie dazu. Der CoC ist unter https://www.naheimst.de/verhaltenskodex-code-of-conduct veröffentlicht.
Darüber hinaus haben wir uns eine Materialien-Richtlinie gegeben, die im Kapitel zur Kreislaufwirtschaft beschrieben ist. Außerdem gilt unsere Richtlinie zum Einkauf. Diese setzt den Rahmen für die Beschaffung und Vergabe von (Bau-)Leistungen. Darin verpflichten wir uns, die benötigten Lieferungen und Leistungen unter Einhaltung verschiedener Verpflichtungen zu beschaffen; dazu zählen der Wettbewerbsgrundsatz, das Transparenzgebot, der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot und der Gleichbehandlungsgrundsatz. Unsere Einkaufsrichtlinie dient zudem dem Ziel, dass wir mittelständische, fachkundige, leistungsfähige, zuverlässige und gesetzestreue Unternehmen beauftragen. Der Fokus liegt dabei auf der Sozialverträglichkeit und Umweltfreundlichkeit von Leistungen und Produkten.
Außerdem unterzeichneten wir 2016 eine Zielvereinbarung für nachhaltige Beschaffung mit dem Land Hessen. Darin verpflichten wir uns, Nachhaltigkeitskriterien stärker in unsere Beschaffung zu integrieren und dieses Engagement auch öffentlich sichtbar zu machen.
Darüber hinaus begrüßt NHW den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Dieser findet auf alle Unternehmen Anwendung, die ihren Sitz in Deutschland haben – unabhängig von Größe, Branche und Position in der Liefer- und Wertschöpfungskette. Eine rechtliche Pflicht zur Umsetzung besteht allerdings nicht. Im NAP erwartet die Bundesregierung jedoch von allen deutschen Unternehmen, dass sie die darin beschriebenen Elemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in sämtliche Geschäftsaktivitäten integrieren. Dies umfasst neben den eigenen Geschäftstätigkeiten explizit auch Prozesse zum Management von Liefer- und Wertschöpfungsketten.
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Maßnahmen
Die NHW ist bestrebt, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten schrittweise in ihren Prozessen zu verankern. Letztlich entzieht sich die Lieferkette jedoch unserer direkten Kontrolle. Die uns beliefernden Firmen oder Dienstleistungsunternehmen können wir aber verpflichten, nach unseren Werten zu handeln. Dafür integrieren wir den Code of Conduct in unsere Vertragsabschlüsse. Ergänzend dazu muss es weitere Beschwerdemechanismen geben. Unser Ziel ist es, Resilienz in der Lieferkette zu schaffen. Für das Jahr 2023 planen wir die Konzeption einer Risikoanalyse gemäß Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
In der Vergangenheit bildeten wir beispielsweise die Lieferketten von Fenstern, Massivbausteinen, Dämmmaterialien oder Farben und Lacken ab und untersuchten sie auf soziale und ökologische Risiken. Allerdings mussten wir feststellen, dass für eine Beurteilung die Datenlage oft unzureichend ist. In einem Strategieworkshop behandelten wir zudem den NAP und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und legten somit den Grundstein für weitere Arbeitsschritte. Im Berichtsjahr stand die Einführung einer neuen Lieferantensoftware auf der Agenda, verantwortet vom Kompetenzcenter Einkauf und Vertragsmanagement.
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Neue Lieferantensoftware
Der erste Schritt in Richtung mehr Transparenz ist mit dieser Lieferentensoftware getan. Zentral beschaffen wir nun Produkte und Dienstleistungen und verwalten die dazugehörigen Verträge. Beim Einkauf von Produkten und Dienstleistungen, die wir zum bestmöglichen Preis beschaffen, achten wir auf Qualität und Liefertreue, Rechtssicherheit (in Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung), Nachhaltigkeit und Compliance. Alle abgeschlossenen Verträge werden digital im Vertragsmanagement archiviert.
Der Austausch von Daten zwischen Einkauf und Lieferfirmen ist weitestgehend automatisiert, die Abwicklung für beide Seiten einfacher und sicherer. Das betrifft auch digitale Auftragsvergabe: Firmen können sich zunächst online über ein Kontaktformular auf der Webseite mit allen relevanten Daten registrieren. Nach Prüfung durch das NHW-Einkaufsteam erfolgt die Eintragung in die Firmendatenbank für potenzielle Lieferfirmen. Je nach Bedarf werden passende Betriebe ausgewählt und via E-Mail aufgefordert, ein konkretes Angebot abzugeben. Im nächsten Schritt werden mit den Unternehmen der engeren Wahl Verhandlungsgespräche geführt, bei Einigung ein Vertrag digital erstellt.
Wirksamkeitsüberwachung
Um soziale, ethische und ökologische Standards innerhalb der Lieferkette sicherzustellen, haben wir den Code of Conduct als Bestandteil aller Verträge mit Liefer- und Dienstleistungsunternehmen verankert. Damit ist die Anerkennung des Verhaltenskodex ein verbindliches Kriterium für deren Auswahl. Die neu eingeführte Lieferantensoftware garantiert die lückenlose Dokumentation der abgeschlossenen Verträge.
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Einbindung von Interessengruppen
Bei unserer Stakeholder-Befragung im Rahmen des Nachhaltigkeitsstrategieprozesses 2023 interviewten wir verschiedene Stakeholdergruppen. Zur nachhaltigen Lieferkette befragten wir den BUND Hessen und nutzten die Beteiligungsplattform „Frankfurt fragt mich“ (ffm.de). Das Ergebnis: Prinzipiell wird es sehr positiv gesehen, dass sich die NHW im Bereich Nachhaltigkeit auch mit der Lieferkette auseinandersetzt. Denn für die Baubranche sei bekannt, dass Produkte in Umlauf gebracht werden, welche nicht der Einhaltung von Menschenrechten oder Umweltvorschriften entsprechen. Die Verantwortung bei der Produktbeschaffung müsse also wachsen. Durch den verstärkten Einsatz von Holz und das Substituieren herkömmlicher Materialien könne man der Umweltschädlichkeit vieler Produkte entgegenwirken.
Durch die Befragungsergebnisse sehen wir uns bestärkt darin, die Lieferkette als wesentliches Thema sowohl in sozialer als auch ökologischer Hinsicht identifiziert zu haben. Wir wollen künftig gezielter darauf hinwirken, dass Menschenrechte in globalen Lieferketten beachtet werden und wir bei Bau und Modernisierung verstärkt umweltverträgliche Materialien verwenden.
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